Blinde Blindenführer, oder: Lesen Sie die Bibel

Fürchte weder Kerker noch Kummer,

fürchte weder Völlerei noch Hunger,

aber nimm dich vor dem in Acht,

der sagt: »Ich weiß, wie man das macht.«

Aleksandr Galitsch

Sie war blind vor Leidenschaft. Er vor lauter Hoffnung. Doch er nahm sie bei der Hand und führte sie… in die »lichte Zukunft«. Erinnern Sie sich noch? – »Wenn ein Blinder einen Blinden führt…« Und genau das ist passiert – beide plumpsten in ein Loch, in dem sich schon eine ganze Menge von Leuten wälzte, die auf dem Weg in die lichte Zukunft da auch hineingeraten waren; und so geschah es, dass sie sich aus den Augen verloren, und sie lag bereits nicht mehr bei ihm, und er nicht mehr bei ihr, gleichwohl sie nach wie vor eine große Leidenschaft füreinander empfanden und sich zart und innig liebten. Der Gerechtigkeit halber sei gesagt, dass es in jenem Loch weder an flammender Leidenschaft noch an zärtlicher Liebe mangelte – alle waren sie dort feurig und leidenschaftlich, aber zugleich auch herzensgut zueinander, was jedoch an ihrem Unglück nichts änderte. Alle liebten sie sich dort, brannten vor Leidenschaft und gingen in Flammen auf. Und deswegen hing über dem Loch stets eine Rauchwolke.

In der Heiligen Schrift steht alles geschrieben… Aber unglücklicherweise hatte weder er noch sie die Bibel gelesen. Sie schmökerte in Liebesromanen, er las die Zeitung »Prawda«… Dabei hätten sie die Bibel lesen sollen, deren Verfasser, unter ihnen alte weise Juden, schon alles gesagt habe.